Niedergang der Schloßanlage Solitude
Niedergang der Schloßanlage Solitude
1775 schon hatte der Herzog die Solitude verlassen und sich in Hohenheim „etabliert". Die Solitude, Schloss und Anlagen wurden nur noch notdürftig unterhalten. Die Gebäude, die überaus leicht gebaut waren, wiesen bald Schäden auf, die ohne viel Aufwand repariert wurden; für die Erhaltung der Gärten wurde nur noch wenig Geld ausgegeben. Als im Frühjahr 1782 der Großfürst Paul I. von Rußland - der mit einer Nichte Carl Eugens, der Tochter seines Bruders Friedrich Eugen, verheiratet war -, sich zu einem Besuch ansagte und der Herzog die Solitude in das Besuchsprogramm mit einbezog, wurden „droben" große Restaurierungsarbeiten notwendig. Zum letzten Male sollte die Solitude in festlichem Glanz erstrahlen!
Die Fröner mussten wieder verstärkt antreten. Bereits am 11. Mai wurde mit den Restaurierungsarbeiten begonnen. Am 29. August verweigerte Gerlingen, die 25 Mann mit 2 Truchenkästen je mit einem Pferd zu stellen, weil über 50 Mann schon gebraucht werden, um die Thiergärten wieder in Ordnung zu bringen, auch alle Tage viele Pferde um die Zeugwagen zu führen und täglich 12 bis 20 Mann zu Arbeiten am Bärensee gestellt werden müssen. Wegen vielem Feldgeschäfft suchen die Bauern nach Buben, die für sie die Arbeit übernehmen, denen sie aber statt 6 Kreuzer 18 bis 20 Kreuzer geben müssen, dazu Brot und Trinken.
Der fürstliche Besuch soll alles in allem 345000 f gekostet haben. Auf der Solitude war der Großfürst mit seiner Gemahlin vom 22.-24. September 1782.
An dieser Stelle sei eine kleine Begebenheit berichtet, die im vergangenen Herbst (1983) ein Deutschamerikaner erzählte. Er war zum ersten Mal in der Heimat seiner Großeltern in Gerlingen, die um 1890 ausgewandert waren. Diese Geschichte hatte er von seinem Großvater gehört. Demnach soll der Großfürst von Russland in jenen Tagen von der Solitude aus die Umgegend inkognito besucht, einen Gerlinger Bauern getroffen und gefragt haben, ob er nicht begierig sei, den Großfürsten von Russland zu sehen. Dieser hätte ihm zur Antwort gegeben, dass er den hohen Herrn nicht zu sehen brauche, da er im voraus wisse, dass er ihn in zehn Jahren noch auf seinem Steuerzettel sehen werde. Diese Antwort habe den Großfürsten der art gefreut, dass er dem Bauern ein Goldstück gegeben habe.
Von der gleichen Begebenheit berichtet auch Gotthilf Kleemann in seinem Solitude-Buch, schreibt diese aber den „Flattich-Geschichten" zu. Auf alle Fälle weiß Kleemann zu erzählen, dass der Großfürst, nachdem er auf der Solitude angekommen war, sich zurückgezogen und weder das Theater besucht noch an der Operaufführung teilgenommen habe. Am anderen Tag sei die Jagd wegen Regenwetters ausgefallen. Wer weiß, ob der Großfürst sich an jenem Tag nicht abgesondert und die Umgegend besucht hatte.
In der Nacht vom 23. auf 24. Oktober 1793 starb Herzog Carl Eugen. Nach seinem Tode und dem damit bedingten Regierungswechsel ging es mit der Solitude weiter bergab. Der Nachfolger, Herzog Ludwig Eugen, der etliche Male von der „Landschaft" um Hilfe gegen seinen Bruder angegangen worden war, wollte diese Schloßanlage, die er als Zeuge der Tage eines Gewaltregimes, unerhörter Verschwendungssucht und gesunkener Moral ansah, so schnell wie möglich aus der Welt schaffen.
Außer dem Schloßgebäude, dem Lorbeersaal und dem Chinesischen Haus sollen alle Häuser auf Abbruch verkauft werden, schrieb Johann Caspar Schiller seinem Sohn Friedrich nach Jena, in den Gärten die Bogengänge, Gitterwerke etc. sollen ohne weitere Cultur der Natur überlassen, die Orangerie nach Ludwigsburg versetzt werden.
Vorher aber wurden die anderen Gebäude noch einer neuen Nutzung zugeführt: der Marstall, der Officienbau, die Akademiegebäude, die Orangerie und ein Plantagenhaus wurden zu einem Spital umgebaut. Schon 1794 wurden sie zum Lazarett bestimmt und von den Österreichern, k.u.k.-Truppen, bezogen.
1796 mussten diese den Franzosen Platz machen, diese wiederum Österreichern. 1795 waren 1966 Kranke und „Blessirte" einquartiert, von denen 656 starben. 1797 wurde dann das Spital für kurze Zeit aufgehoben. 1800 kamen die Franzosen wieder, 1801 wurde es ein württembergisches Lazarett, 1805/06 ein französisches, 1807, ebenso 1809/10 wieder ein württembergisches, 1813 ein russisches Spital.
Der Gerlinger Pfarrer Neuffer mit seinem Vikar Franckh besuchte des öfteren die Soldaten. Sie sprachen ihnen Trost zu, mussten aber viele von ihnen beerdigen, da immer wie der Seuchen dort oben wüteten. Gerlingen und die umliegenden Orte wurden für die Lebensmittel- und die Wasserversorgung verpflichtet.
1807 wurde der lange Stall abgebrochen, der 1805/06 noch als Lazarett gedient hatte, 1808 die evangelische Kirche, die nie fertig geworden war, und 1809 erfolgte der Abbruch des Lorbeersaals. Sofort nach dem Abbruch der einzelnen Gebäude musste der entstehende freie Platz eingeebnet und mit Gras oder Klee eingesät werden. Gerlingen musste sich verpflichten, die ehemaligen Gärten wieder aufzuforsten, was bestimmt mit großer Freude durchgeführt wurde, denn schon 1794 hatte Herzog Ludwig Eugen befohlen, daß der Commun Gerungen ihre gesam Wald-Districte, welche bisher zu de Solitude-Anlagen gezogen worden, zurückgegeben werde, mit Ausschluß der Forstbaumschule, als welche erst auf Georgii 1796 übergeben werden sollen und eines kleinen Districts umi das 5 Eichenhauß Von pptr. l Morgen, welcher zur Conservation dieses Gebäudes nötig ist. Dieses Gelände sollte eigentlich eingetauscht werden. Da aber die Deputation des Herzogs und die Gerlinger Communvorsteher nicht einig werden konnten, wurde die Verhandlungen abgebrochen.
1796 bekamen Gerlinger Bauern Grasplätze auf der Solitude zugewiesen. 1798 beschwerten sich etliche Bauern, da sie den Pachtzins nicht bezahlen wollten, weilen ihre Pläze mehrenteils von damals auf der Solitude gewesten französischen Pferden abgefreßen worden seien ...
1816 bat die verwitwete Anna Maria Schweizer von Gerlingen, ihr eine herrschaftliche Wohnung zu überlassen. Es wird ihr bezeugt, dass sie, wenn sie ihre Schulden bezahlt hat. kein Vermögen mehr besitzt und vier Kinder zu versorgen habe. Die Solitude - ein Ort für soziale Notstände?
Das Solitude-Gelände wurde seit jener Zeit landwirtschaftlich genutzt. 1820 wird von einem Güterbeständer (Pächter) Deschler berichtet.
1825 befanden sich drei Wirtschaften auf dem Gelände; die Wirtschaft des Carl Zerweck gerät in Konkurs. War die Solitude also schon damals zum Ausflugsort geworden? Das muss angenommen werden.