Der Herzog braucht Bauleute
Wie kommt man nun zu Bauarbeitern in großer Anzahl, die ein solch bedeutendes Bauwerk in kurzer Zeit ermöglichen können? Für den Herzog scheint dies in jener Zeit nicht allzuschwer gewesen zu sein. Er verpflichtete die Bauern der umliegenden, ja bis zu zwölf Stunden entfernten Dörfern, rief aber auch Handwerker aus dem ganzen Land sowie aus dem näheren und ferneren Ausland herbei. Viele kamen, da sie hofften, hier Geld verdienen zu können.
Von einer weiteren Möglichkeit machte der Herzog ebenfalls Gebrauch, ob sie nun gesetzlich oder ungesetzlich war. Nach den glücklosen Feldzügen, die Carl Eugen mit den Österreichern gegen Preußen im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) geführt hatte, wurden die nun unbeschäftigten Soldaten, die er ohnehin bezahlen musste, zu Arbeitssoldaten. Sie wurden zunächst in der „Wagenburg" auf der Solitude untergebracht, so wie sie es vom Krieg her gewohnt waren.
Da diese jedoch bald überfüllt war, wurden die Soldaten nun in den nächstliegenden Dörfern einquartiert, in Gerlingen, Weilimdorf, auf dem Bergheimer Hof, in Eltingen. Dass diese Berufssoldaten verheiratet waren, Weib und Kinder hatten, die gleichzeitig miteinquartiert werden mussten, scherte den Herzog wenig. So waren bereits 1763/64 in Gerlinger Häusern 80 Mann Arbeitssoldaten mit 50 Weibern und 60 Kindern untergebracht. Als Entschädigung sollten die Quartiersleute pro Tag bekommen: für einen Sergeanten 4 Kreuzer (x), für einen Corporal 3 x, für einen Gemeinen 2 x, für ein Weib 1 x und für ein Kind ½ x.
Dieses „Costgeld" war nur ein Trostpflaster, auf das die Quartiersleute zudem noch lange zu warten hatten. Für dieses Geld mussten Wohnung, Nahrung und Holz bestritten werden. War der Arbeitssoldat verheiratet, musste seine Frau kochen, andernfalls die Hauswirtin, denn einmal am Tag sollte der Soldat ein warmes Essen erhalten. 1764 beklagte sich der Sergeant Reither, "daß die arbeitsleuthe und Soldaten Vihl Mahlen Kein Brod bekommen Können. Die hiesigen Bäcker werden vorgefordert und versichern, daß sie kein Mehl haben. Trotzdem wurden sie um einen Gulden bestraft weil sie so ohnfleißig bachen."
Diese Einquartierungen waren nicht auf eine kürzere Zeit befristet; sie zogen sich lange hin. 1769, ja 1774, finden wir noch Arbeitssoldaten in Gerlingen. Im Jahre 1769 sollten zusätzlich „Better" auf die Solitude geliefert werden. Da wehrte sich aber der Schultheiß und schrieb "... daß der Ort Gerlingen ohn Möglich Better hergeben kan, in demo bei achtzig Man Soldaten, 70 Weiber und gegen 90 Kind auch Weiler Vihl Herrschaftsknecht mit Pferdt ohne die Viehlen Handwerksleith, wovon Erst heut abend gegen 18 Mann von neuem Ein Quartiert werden müßten, deßwegen kan ohn Möglich Ein Bett angeschafft werden. Es ligen wirklich Mehr als 40 Soldaten auf dem Stroh daß keine Better haben."
Dies war im Jahre 1769, also sechs Jahre nach Baubeginn.
Die Soldaten selbst wurden immer wieder ausgetauscht und hinterließen Schulden. So schrieb der Oberamtmann in einer Beschwerde an die „Landschaft": "Ferner daß Becken, Wirth und andere Handwerker vornehmlich aber die Quartiersleute, welche die Mannschaft im Hauße haben, um vieles nicht bezahlt seind, ... wannen einer oder der andere Mann, welcher beurlaubt wird, nimmer zurückkommt oder gar durchgeht."
So hinterließ unter anderen der „Gardes" (Soldat) Flath an Schulden in Gerlingen für Schuhmacherarbeit 1f 30x, für Kostgeld 3f 24x, für Verzehrtes (Wirtshaus) 4f 48x, insgesamt also 25f 13x. Dazu muss gesagt werden, dass dieses Schuldenmachen nicht immer aus bösem Willen geschah, sondern aus wirklichem Unvermögen, denn auch die Soldaten mussten oft lange auf ihre Löhnung warten. So wird von dem Gardes Georg Haid berichtet, der "auff der Solitude arbeitet und hi im Quartier liegt, dass er den Sohn eines Gerlingers in sein Heimwesen nacher Donau auf die Alb geschick 6f Geld abholen". Dieser Soldat griff also sein Erspartes an, um weiter existieren zu können.
Dass es bald zu Reibereien mit den Einquartierten kam, ist nicht verwunderlich, besonders wenn man weiß, wie eng die einzelnen Familien zusammen wohnten. Nicht jede Familie hatte ihre eigene Küche, ja selbst die Wohnstube teilten sie oft miteinander. Die Klagen auf dem Rathaus häuften sich bald. Da beschwerte sich eine „Hauswirtin", dass ihr „Soldatenweib" sie eine „alte Hex" geheißen hätte, umgekehrt soll eine Hauswirtin behauptet haben, als eine „Soldätin" ausquartiert worden sei, sie hätte ihr, der Hauswirtin. Bett „ausgeleuret".
Ein ganz krasser Fall sei einem Gemeinderatsprotokoll von 1765 entnommen. Da beschwert sich sogar der Schultheiß über eine Gerlinger Quartiersfrau, dass sie "gestern Abends, da wiederum 18 neue Arbeiter eingerückt und derselben zwey Mann deßwegen über Nacht eingelegt worden, weilen die leeren Quartiere noch nicht bekannt geweßen, so heftig und vehement in seine Stube hineingefahren, mit dem groben unverständlichen Raisoniren, und auf den Tisch hineinschlagen, ob das auch Recht seye, daß man ihro zwey Soldaten einlege, bei denen Umständen gehörten dem Eisenbach (er war der reichste Mann) zwanzig und das thue sie nicht, es seye auch gegen ihre Pflichten, und dergleichen Injurien (Beleidigungen) übte sie noch weiter. Und als er erwiderte, das Quartier seye nur über Nacht, man könne es in Eil nicht Anders machen, Sie gebe ohnehin den Soldaten nichts zu Eßen, folglich seye es eins, ob einer oder zwey in diesem Bette liege, so brach sie in überauß grobe und unverschämte Worte aus."
So mag es noch in vielen Häusern zugegangen sein, und man glaubt dem Schlutheiß Kling, wenn er in einem Kostenzettel angibt, „daß er einen ganzen Tag versäumt habe", um alle Soldaten in andere Quartiere umzulegen. Die aufgelaufenen Quartierskosten wurden erst auf Anordnung der Landschaftskasse ausgezahlt. Diese Zahlungen ließen aber oft jahrelang auf sich warten, sodass die Bürger in Rückstand mit ihren Steuern gerieten und zahlungsunfähig wurden. In späteren Jahren musste die Gemeinde aus ihrem „Vermögen" diese Quartierskosten vorstrecken, um die Bürger zu beruhigen.
Ähnlich erging es auch den Handwerkern und nicht nur den fremden. So baten die beiden „Planirs" auf der Solitude, Christoph Bockel und Heinrich Strauß von Gerlingen: "da ihnen wohl auf nächst Georgii ihre Forderungen von 395 f 49 x und 201 f 56 x versprochen seie, aber wir bereits Morgenden Tags die Execution (Zwangsversteigerung) erwarten müssen, so sehen wir uns genöthigt Eure Herzogl. Durchlaucht allerbewegst zu bitten zu des Herzogl. Oberamts um Sistirung derselben höchste Resolution ergehen zu lassen."
Die Exekution wurde damals tatsächlich aufgehoben, doch scheint es später doch noch zu einer Zwangsversteigerung gekommen zu sein, da in einer Kreditaufnahmesache zur „Lösung" seiner Güter dem Strauß bezeugt wird, dass noch mehr als 1000 f vom Herzog zu erwarten hätte.
Hier seien nun einige Forderungen von weiteren Gerlinger Handwerkern, die im Jahre 1772 vom Oberamt für schon lang geleistete Arbeiten, bei der „Landschaft" moniert wurden, angegeben:
Wagner Bauer vor Arbeit 14 f 42 x
Conrad Bühlweiler vor Steinblatten 35 f 10 x
Andreas Höhn, Schmid vor Schmidsarbeit 532 f 45 x
Wagner Hock vor Arbeit 16 f 42 x
Schmid Hock vor Arbeit 79 f 46 x
Gyps-Brenner Heugelen vor Gyps 217 f
Johannes Hockvor Steinblatten 56 f 29x
Georg Löffler vor Steinblatten 242 f 57x
Andreas Luz vor Steinblatten 18 f 34 x
Ignatius und Johann Adam Maisch 184 f
Schreiner Mauch vor Arbeit 96 f
Jacob Starren Wtb. vor Bauholz zu einer Hütten 18 x
Jacob Schweizer und Konsortien 115 f 50x
Interessant an dieser Aufstellung ist zudem, dass es damals wie heute in Gerlingen die Familienbezeichnungen Schmid-Heck, Wagner-Heck und Schmid-Höhn gab.